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In „Bad North“ könnt ihr beschauliche Inseln vertei- digen, indem ihr Wikinger mittels geschickter Taktik nach Walhalla befördert. Das rundenbasierte Indie Game stellt die perfekte Antwort auf den kleinen Gusto nach Echtzeit- strategie zwischendurch dar. Ob zu Hause oder unterwegs, für kleines Geld geht’s in den grimmigen hohen Norden.

Von Othmar F. C. Hofer.

Drachenschiffe am Horizont

Die kalten Meereswellen branden ge­ mächlich gegen die kleine Insel. Eine kleine Schar Krieger steht gewappnet am Strand und schaut in angespann­ ter Erwartung auf das endlos erschei­ nende Wasser. Plötzlich durchbricht der gellende Ruf eines Horns das mono­ tone Rauschen. Nervosität macht sich breit, als mein Blick hektisch sämtliche Himmelsrichtungen absucht. Aus dich­ tem Nebel schälen sich die fahlen Um­ risse von Langbooten, dicht besetzt mit dunklen Gestalten. Während die un­ heilkündenden Schiffe schnell näher­ kommen, versuche ich, meine Schwer­ ter, Langspieße und Bögen tragenden Soldaten an die für das kommende Scharmützel günstigsten Positionen zu delegieren. Dies wird ein Kampf auf Le­ ben und Tod, denn hinter uns gähnt nur der leere Ozean. Gerade noch rechtzei­ tig schafft es jede Gruppe unter ihrer Standarte an den zugewiesenen Platz und schon knirscht ein Rumpf über den Sand, um den ersten waffenstarren­ den Invasorentrupp an Land springen zu lassen. Wo die behelmten Feinde ge­ nau herkommen, ist unklar, doch sind ihre Absichten unmissverständlich, da schon eines der abgelegenen Häu­ ser in Flammen aufgeht. Offensicht­ lich zufrieden mit ihrem Zerstörungs­ werk stürzen sich die Plünderer sofort danach todesmutig auf die ihr weite­ res Vordringen blockierenden Vertei­ diger. Die mehr schlecht als recht aus­ gerüstete Miliz trotzt dem Ansturm jedoch eisern. Durch ihre Disziplin und Zusammenarbeit können meine Trup­ pen das Handgemenge schnell für sich entscheiden, aber die Freude über den kleinen Sieg währt nicht lang, da am anderen Ende des Eilands bereits ein weiteres Boot mit noch stärkeren Geg­ nern anlegt. Bis der Angriff der finste­ ren Wikinger endgültig abgeschlagen ist, braucht es noch viel Geschick. Am Ende ist der Boden der Insel getränkt mit dem Blut von Freund und Feind, doch bleibt sie fest in unserer Hand. Die Schlacht war brutal, erbarmungslos und … drollig?!

Eine Seefahrt, die ist lustig

Bevor wir nach dieser – zugegeben et­ was heroisierenden – Darstellung auf den scheinbaren Widerspruch einge­ hen, noch einige Bemerkungen zu Plot und Spielmechanik: Das Echtzeit­Stra­ tegiespiel wartet mit keiner festgeleg­ ten Handlung im herkömmlichen Sinne auf. Stattdessen muss sich die Spielerin oder der Spieler innerhalb einer Kam­ pagne durch eine Kette von verschiede­ nen Inseln kämpfen, wobei er oder sie stets von mordgierigen Nordmännern verfolgt wird. Das Ganze läuft runden­ basiert ab, wobei darauf geachtet wer­ den sollte, stets einen ausreichenden

Vorsprung vor einer noch viel größe­ ren feindlichen Übermacht zu bewah­ ren. Diese rückt nach jedem Gefecht um einen festgelegten Streifen der großen Übersichtskarte weiter vor und führt zu einem sofortigen Game Over, sollte sich ein unvorsichtiger Hobbystra­ tege bzw. eine Hobbystrategin einho­ len lassen. Auf dem Weg durch die vage im mittelalterlichen Nordeuropa ver­ ortete Meereslandschaft können neue Anführer mitsamt ihren Trupps rekru­ tiert werden, wofür einfach deren Hei­ matinsel erfolgreich gegen eine der vie­ len Invasionen verteidigt werden muss. Da sowohl Anzahl als auch Gefährlich­ keit der Gegner im Spielverlauf zuneh­ men, ist es unerlässlich, seine Einheiten durch bessere Ausrüstung und Spezial­ fähigkeiten aufzuwerten. Hierfür wird jedoch Geld benötigt, welches am Ende jedes Kampfes von den auf den Eilan­ den verstreut stehenden Behausun­ gen generiert wird. Sollte ein Gebäude von einfallenden Wikingern abgefackelt worden sein, fällt dessen Beitrag aus. Da sich meist nicht die gesamte Siedlung zielführend beschützen lässt, kommt es auf die richtige Balance zwischen fi­ nanziellen und militärischen Interessen an. Schon der Alte Fritz wusste näm­ lich: Wer alles verteidigen will, vertei­ digt nichts!

Simpel, doch nicht einfach

Das Terrain auf den Inseln spielt eine zentrale Rolle für den Ausgang eines

Kampfes. So lässt sich etwa ein Eng­ pass zwischen zwei Hügeln ausge­ zeichnet auch gegen eine erdrückende Übermacht halten, während eine hoch­ aufragende Klippe mit Rundumsicht die ideale Position für Bogenschützen dar­ stellt. Grundsätzlich stehen drei Ein­ heitstypen zur Verfügung, welche sich durch die von ihnen getragenen Waffen unterscheiden. Schwertkämpfer füh­ ren Schilde mit sich und können sich so vor Pfeilen sowie Wurfäxten schützen. Spießträger können den Feind durch ihre Stangenwaffen auf Distanz halten, ohne selbst Nahkampfschaden einzu­ stecken. Diese Fähigkeit macht sie per­ fekt dafür, wichtige Plätze felsenfest zu halten. Gleichzeitig sind diese „Spie­ ßer“ aber anfällig gegenüber Fernwaf­ fen und können nicht aus der Bewe­ gung heraus kämpfen. Bogenschützen schließlich decken den Feind aus der Distanz mit einem Geschosshagel ein, werden jedoch rasch aufgerieben, soll­ ten es Krieger direkt an sie heranschaf­ fen. Wird eine Einheit ausgewählt, lässt sie sich per Mausklick auf das entspre­ chende Rasterfeld an die gewünschte Stelle kommandieren. Langweilig wird es nie, da „Bad North“ für jedes Ge­ fecht automatisch eine neue Karte ge­ neriert, was den Spieler oder die Spie­ lerin laufend zur Anpassung zwingt. An welchem Ort man sich den Voraus­ kommandos der großen Wikingerflut stellt, hängt vom eigenen Ermessen ab. In der Regel bestehen zwei bis drei

Optionen zur Wahl, welche je nachdem bei einem Sieg ein hilfreiches Artefakt, einen leichteren Kampf oder einen hö­ heren finanziellen Zugewinn verspre­ chen kann. Die Entscheidung fällt mit­ unter schwer, da nicht nur der weitere Pfad der Reise beeinflusst wird, son­ dern auch ein Fehler schnell einmal im totalen Fiasko endet. Die einzel­ nen Einheiten können die unweigerlich auftretenden Verluste während einer Schlacht zwar durch das Verweilen in einem Haus wieder ausgleichen, doch sollte deren Kommandeur oder Kom­ mandeurin fallen, wird der ganze Trupp ausgelöscht. Im schlimmsten Fall findet so der ganze Heerbann sein Ende unter den Schwertern der Nordmänner.

Kein Mensch ist eine Incel

Wer ein Gefecht in den Sand gesetzt hat, braucht sich aber nicht zu sehr ärgern und kann Maus oder Tastatur ganz las­ sen. In ihrer weisen Voraussicht haben die schwedischen Entwickler nämlich die Möglichkeit vorgesehen, Kämpfe neu starten zu können. Wer sich aber wie ein waschechter Seekönig aus den Sagas fühlen möchte, kann diese Funk­ tion deaktivieren, die Schwierigkeit auf „hart“ stellen und sich einen tüchtigen Schluck Met aus dem Trinkhorn einver­ leiben. Selbst in diesem hartgesotte­ nen Modus stehen fixe Speicherpunkte auf der Weltkarte bereit, von denen aus nach einem Malheur weitergemacht werden kann. Hierin besteht auch der Unterschied zu der Videospielgat­ tung des „Roguelike“, da bei einem sol­ chen „Permadeath“, also das Prinzip ei­ nes kompletten Neuanfangs nach einer Niederlage gilt. Der etwas entspanntere Zugang wie hier bei dem skandinavi­ schen Indie­Game wird in Anlehnung daran als „Roguelite“ bezeichnet. Den besonderen Namen hat das Genre von einem wegweisenden Spiel mit dem Ti­ tel „Rogue“ aus den Achtzigern. Ge­ meinsam ist beiden Varianten die per Zufallsgenerator erstellte Umwelt und der Rundencharakter. Über die genauen Merkmale wird online jedoch mitunter heiß diskutiert. Wer hätte je gedacht, dass sich Leute im Internet über banale Dinge fetzen würden?

Klein, aber fein

Wie kann denn nun ein so knallhartes Spiel drollig rüberkommen? Die Ant­ wort ist weniger im womöglich frag­ würdigen Geschmack des Artikelver­ fassers, sondern in der besonderen Herangehensweise der Entwickler vom Studio Plausible Concept zu su­ chen. Den Schweden scheint Mini­ malismus nicht nur in Bezug auf Mö­ bel ein wichtiges Prinzip zu sein, wie „Bad North“ eindrucksvoll beweist. Zum einen wurde die Grafik bewusst ein­ fach gehalten, wobei sich gerade diese Einschränkung als großer ästhetischer Vorteil erweist. In ihrer Einfachheit strahlt jede Insel idyllischen Charme aus, welcher umso stärker einen Kont­ rast zu dem Blutvergießen bildet (Emp­ findliche Gemüter können übrigens das Herumspritzen des roten Safts in den Einstellungen deaktivieren.) Wäh­ rend die einzelnen Figuren mit ihren kurzen Beinchen über die Karte wu­ seln und dabei nach Leibeskräften aufeinander einprügeln, erwecken sie

einen einzigartigen Eindruck, welcher niedliche Tollpatschigkeit mit martiali­ scher Brutalität zu einem gewinnenden Amalgam verschmelzen lässt. Die aus­ gezeichnet gewählten Klangeffekte so­ wie die Musik helfen zusätzlich in die­ ser Beziehung. Zum anderen wurden die Kernprinzipien der Echtzeitstrate­ gie in eine durch ihre Unbeschwertheit glänzende Form destilliert. Sowohl alt­ gediente Keyboard­Veteranen als auch virtuelle Gelegenheitskrieger beiderlei Geschlechter dürften immer mal wie­ der ihren Spaß mit dem Spielchen rund ums Inselhüpfen haben.

Fazit

„Bad North“ kann auf dem PC, der Xbox One oder der Switch gespielt werden. Mit den Betriebssystemen Android oder iOS kann das 2018 erschienene Spiel zudem locker auf dem Smartphone in Bus oder Zug genossen werden. Wer seine letzten Silbermünzen gerade erst in der Taverne auf den Kopf gehauen hat, braucht für das Indie Game nicht extra den nächs­ ten Bauernhof zu plündern, denn der­ zeit ist der Strategiespaß für schlappe 3,74 Euro auf Steam zu erstehen. Wenn ihr eine kleine Zerstreuung für zwi­ schendurch sucht, liegt ihr mit diesem gut gereiften Tropfen genau richtig. Au­ßerdem könnt ihr so locker beweisen, dass damals die Sache in Lindisfarne mit euch ganz anders gelaufen wär.

INFOS

Die Seite der Entwickler

Das eigens zum Spiel kreierte Wiki

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